Das ein neuer Band von Mathieu in meinen Ranzen muss, steht für Naaman, meinen Comichändler, außer Frage. Und er gibt nur einen einzigen Hinweis: „„Du brauchst unbedingt einen Spiegel. Mehr sag’ ich nicht.“

3 Sekunden, heißt es. Quadratisch ist es. Und erzählt wird eine Geschichte mittels eines einzigen Zooms. Das ist es, was ich beim Querlesen/Quergucken registriere. Na ja, denke ich: Zoom.

Denn dabei fällt mir ein, dass in meinem Bücheregal ein Buch aus dem altehrwürdigen Semmel-Verlach steht. Es ist 1992 erschienen und heißt „12 Uhr 48“. Verfasst wurde das, ich glaube vom ADC, prämierte und durchaus innovative Zoom-Bilderbuch von dem deutschen Team Sassenbach und Schmodde (Comic oder Graphic Novel kam als Gattungsbezeichnung im letzten Jahrtausend noch nicht in Frage). Übrigens ist es ebenfalls quadratisch – 31x31cm.  Doch damit erschöpfen sich jedoch die Ähnlichkeiten.

Zwar enthüllen auch Sassenbach und Schmodde durch das „Näher-ran-gehen“ dem oberflächlichen Betrachter Verborgenes und nutzen diesen Effekt für dramaturgische Wendungen, aber nur, um die Leser am Schluss zu überraschen/schockieren.

Marc-Antoine Mathieu ist aber ein viel konsequenterer Formalist. Und wie immer lotet er auch hier die grafischen und strukturellen Möglichkeiten einer Comic-Erzählung bis an die Grenzen aus. Sein Zoom verdichtet nicht nur fließend die Erzählung, sondern gibt ihr auch stetig neue Twistes bis zum Schluss dieser experimentellen, aber nicht sperrigen Kriminalgeschichte.

Neu- und Wissbegierigen bietet der Verlag hier eine Leseprobe.

Noch ein sehr subjektiver Tipp: Im Buch findet ihr einen Link zu einer Website, auf der ihr diese Geschichte als animierte Version, sprich Film, ansehen könnt – macht Spaß und dauert glücklicherweise länger als nur drei Sekunden. Aber seht euch den Film erst nach dem Lesen/Betrachten des Comics an, sonst verändert sich eure Entdeckungsreise durch das Buch. Sehe ich jedenfalls so.

„3 Sekunden“ von Marc-Antoine Mathieu ist im Berliner Verlag Reprodukt erschienen und ist nicht nur für Comicleser interessant, sondern auch für alle, die sich für Grafik und Film begeistern.

Übrigens: Einen Spiegel, lieber Naaman, brauchte ich nicht. Ich Held habe alles so entziffert.