Thomas Lison – Archivar des Niedergangs


Eine gute Idee erkennst du häufig daran, dass sie dir seltsam vertraut ist. Weil sie sich dir in aller Klarheit sofort erschließt. Alles ist Offensichtlich, nichts muss mehr gesagt werden. Und du denkst: „Genau.“ So ging es mir jedenfalls, als ich die Bilder der Serie „Suburbia“ des Fotografen Thomas Lison gesehen habe.

Im Rahmen dieser Serie setzt er sich mit dem Phänomen des Strukturwandels in altindustriellen Regionen auseinander – beispielsweise mit dem Ruhrgebiet und vergleichbaren Orten in anderen europäischen Ländern. Dazu begibt er sich auf die Suche nach Spuren des einstigen Wachstums in diesen urbanen Räumen. Und er findet sie in Gestalt aufgegebener Läden, Betriebsstätten oder Kneipen. Brettervernagelt, leer, heruntergekommen stehen sie da. Einst Zeichen einer prosperierenden Wirtschaft und jetzt Momentaufnahme des Niedergangs.

dd.inddJeder kennt sie. Diese ehemaligen Metzgereien mit schwarzen Fliesen um das messinggerahmte Fenster. Diese kahlen, gläsernen Erdgeschosse, gefüllt mit Nichts als den Indizien eines überhasteten Aufbruchs. Und diese rostigen Stahlgitter, die tote Räume schützen.

Jeder kennt sie, aber Thomas Lison fotografiert sie. Dabei bleibt er sachlicher Beobachter und vermeidet alles Pittoreske.  Der Himmel ist grau, die Sonne fern. Und deshalb lösen die Bilder beim Betrachten auch kein nostalgisches Gefühl aus, wie etwa die Fotografien auf der Website „100abandonedhouses.com“. Vielmehr versucht man den Augenblick des Verlassens der Objekte zu erahnen. Das Warum und das Wann. Niemals aber das Wo. Denn sieht man über marginale kulturelle Hinweise hinweg, kann man die Gebäude auf den Fotografien in nahezu jede europäische Stadt versetzen. Dieser Strukturwandel ist eben allgegenwärtig. Lisons Suburbia ist überall und so werden seine Bilder zu einem allgemeingültigen Archiv des Niedergangs.

Thomas Lison, Jahrgang 1980, hat in Bielefeld Fotografie studiert. Er lebt und arbeitet als Fotograf in Köln. Die Serie „Suburbia“ ist eine freie Arbeit, die im Rahmen seiner Diplomarbeit ihren Anfang nahm.

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  1. Erwin Pimpelhuber

    Toll, danke, ganz großes Kino!

    Da kommt mir David Schalliol aus Chicago in den Sinn, dessen Arbeit ich sehr schätze: http://davidschalliol.com

    • @ Erwin: Ja, der ist ähnlich, bezieht aber im Gegensatz zu Thomas Lison eine weit weniger neutrale Position. Aber, wo wir schon mal dabei sind: Das Schweizer Comicmagazin Strapazin hatte in der Nummer 102 auch das Thema „Isolated Houses“ und präsentierte in diesem Rahmen auch Fotografien des Amerikaners John Divola

  2. Erwin Pimpelhuber

    Danke! Sowohl das Strapazin-Magazin als auch John Divola sind interessante Links / Arbeiten, beide kannte ich noch nicht.

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