Dass mein Hang zu guten Lebensmitteln nicht unbedingt damit zu hat, dass ich in Darmstadt lebe, habe ich vor fast genau vier Jahren bereits dargelegt und auch fotografisch illustriert. Aber seitdem habe ich viel gegessen, viel getrunken und auch viel fotografiert. Deshalb denke ich: Zeit mal ein Update zu präsentieren. So als leichtes Thema zum Jahresbeginn – eben wir vor vier Jahren.
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Betrachtung einer zoologischen wie kulinarischen Rarität
Überall auf der Welt haben sich Tiere und Pflanzen extremen Umweltbedingungen angepasst und atemberaubende Strategien entwickelt, um zu überleben. In der Wüste, in der Arktis oder im Dschungel trotzen sie den Herausforderungen ihrer Umgebung. Sie heißen Skorpion oder Pfeilgift-Frosch und an der Bergstraße trifft man – wenn auch selten – das Hang-Hinkel.
Ob Mary Shelley je die Burg Frankenstein erblickt oder gar besucht hat wird unter Fachleuten heiß diskutiert. Die einen sagen „Nein“, die anderen auch. Dem britischen Autor Warren Ellis war das egal und er hat einfach mal so getan, als ob.
Wir schreiben das Jahr 1816. Es wird als „das Jahr ohne Sommer“ in die Geschichte eingehen oder auch als „Achtzehnhundertunderfroren“. Hauptsächliche Ursache für diese Klimakatastrophe ist wohl der Ausbruch des indonesischen Vulkans Tambora.
Inmitten dieser Wetterkapriolen ist Mary Wollenstonecraft Godwin, die spätere Mary Shelley, auf der Reise in die Schweiz. Sie reist in Begleitung, des Dichters Percy Shelley, ihres Geliebten, und ihrer schwangeren Stiefschwester Clair Clairmont. Ihr Ziel ist der Genfer See, wo sie Lord Byron besuchen wollen. Doch die Reise ist noch weit als sie die Burg Frankenstein erreichen. Im Gegensatz zu ihren Reisegefährten ist Mary fasziniert von der Ruine, die sie allein betritt und Unheimliches erlebt.
Denn sie wird in dem als verlassen geglaubten Gemäuer bereits erwartet – von dem Monster, das sie erst viel später in ihrem Roman erschaffen wird. Und dieses namenlose Monster, zusammengesetzt aus Leichenteilen und mittels Elektrizität belebt, nimmt sie mit auf eine Reise durch Zeit und Raum. So wie der alte Scrooge in Dickens Roman „A Christmas von den Geistern der Weihnacht dorthin geführt wird, wo das existiert, was war, ist und sein wird, führt der Namenlose sie durch Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Dabei wird sie zur Zeugin ihrer eigenen Geburt und erblickt so erstmals das Gesicht ihrer Mutter, die kurz nach der Niederkunft verstarb. Sie trifft aber nicht nur ihre Mutter, die Vorkämpferin für die Gleichberechtigung der Frauen, Mary Wollenstonecraft, und ihren Vater William Godwin, den Begründer des Sozialismus und des politischen Anarchismus; vor allem trifft sie Conrad Dippel, den deutschen Theologen, Arzt, Anatomen und Alchemisten, der auf Frankenstein geboren wurde. Mary erlebt seine Experimente und den Segen der „Elektrizität“. Doch seht und lest selbst.
Warren Ellis, Nicht-Comic-Lesern vielleicht durch die Verfilmung seines Comics „RED“ mit Bruce Willis bekannt, schickt „seine Mary Godwin“ unbarmherzig durch ein Labyrinth aus Geburt, Schicksalsschlägen und Tod, um sie in „Frankenstein’s Womb“ (Uterus, Gebärmutter) zu dem Buch zu inspirieren, durch das sie als Mary Shelley berühmt werden wird: Frankenstein oder der moderne Prometheus.
Routiniert in Szene gesetzt hat die Geschichte der polnische Comiczeichner Marek Oleksicki in harten Schwarz-Weiß-Kontrasten. Eine gewisse Ähnlichkeit der dargestellten Architektur der Burg lässt vermuten, dass er sich zumindest Fotos davon angesehen hat.
Exkurs: Eine ganz andere, aber nicht weniger heftige Interpretation, der Entstehungsgeschichte des Romans von Shelley gibt übrigens der Film „Gothic“ von Ken Russell zum Besten(die Rockoper Tommy ist auch von ihm inszeniert worden).
„Frankenstein’s Womb ist bereits vor einigen Jahren im US-Verlag Avatar Press erschienen und nur in englischer Sprache erhältlich. Der Naaman hält in seinem Comic Cosmos immer einige Exemplare bereit und empfiehlt mit Nachdruck diese gefälligst auch zu kaufen.