Kurz-Urlaub im Urwald


Sonntag, 10:17 Uhr, 24° Celsius. Wir verlassen den Wagen auf dem nahezu leeren Parkplatz im Wald. Nur ein holländisches Wohnmobil mit beschlagenen Scheiben leistet uns Gesellschaft. Das lassen wir natürlich unbehelligt zurück, überqueren die Straße namens K55 und betreten den Urwald an der Sababurg auf eigene Gefahr, wie uns das Schild klar macht und diesen Sachverhalt durch die Möglichkeit herabfallender Äste begründet.

Empfohlen werden auf einer großen Informationstafel drei Wanderwege. Wir entscheiden uns für die Route 7 (von, wie gesagt, drei Möglichkeiten). Diese ist mit etwa vier Kilometern die längste und sollte, intensives Bäume-Gucken eingerechnet, circa eine Stunde in Anspruch nehmen. Vor der Infotafel folgen wir links der Kennzeichnung und das ist ein Fehler.

Dieser Fehler liegt nicht in etwa darin, dass man sich verläuft, sondern darin, dass dieser wirklich überflüssige Weg zuerst einmal rund eineinhalb Kilometer an der Straße entlang führt und dann an der Mauer des benachbarten Wildparks. Was nicht so schlimm wäre, wenn es etwas Interessantes zu sehen gäbe. Gibt es aber nicht.

Das gibt uns Zeit für einige Informationen über den Ort des Geschehens. Dieses 92 ha große Waldstück (für die lieber Drinbleibenden: Das entspricht der Menge von 47.706.048.920.000 Pixeln bei einer Auflösung von 72 Pixeln pro Zentimeter, glaube ich) im Landkreis Kassel wollte ich schon längst besucht und begangen haben. Denn, hier in unmittelbarer Nachbarschaft zum Dornröschenschloss  und zum ältesten „Thiergarten Europas“ soll eine, der Natur überlassene, phantastische Baumlandschaft die Besucher erwarten.

Und das ist dann auch irgendwann selbst auf Weg Nummer 7 so. Zuerst nur hier und da, dann immer dichter stehend: Knarzige alte Gesellen zwischen Buchen, wie sie im Buche stehen (natürlich ein Heinz Erhardt Zitat) scheinen ihr Revier zu bewachen. Entlich, denke ich als Kenner der tolkienschen Mythologie und fühle mich ein wenig wie Tom Bombadil im alten Wald.

Umgeben von jungem Geäst und Bäumen, die bis zu sechshundert Jahre alt sind, werfe ich meine Kamera an. Ladezustand rot, obwohl über Nacht am Netz. Wenigstens fünf, sechs Bilder hoffe ich. Bilder von diesen Buchen mit mehreren Stämmen, die sich wie Schlangen umeinander winden. Von diesen wuchtigen, hohlen Eichen, die nach sechshundert Jahren immer noch leben. Von diesen schweren Ästen, die von der eigenen Last zu Boden gedrückt im Erdreich abtauchen und an anderer Stelle erholt mit grünen Blättern wieder zu Tage treten. Nur fünf, sechs Bilder. Selbst, wenn nirgends das Licht optimal ist.

Dann nähern wir uns wieder der Infotafel am Startpunkt und sind nicht mehr allein. Wie um mich und meine energielose Knipse zu verhohnepiepeln, ist ein ganzer Foto-Club aufgetaucht, um fröhlichen Mutes vor sich hin zu dilettieren. Bewaffnet mit riesigen Fototaschen, zahllosen SLR-Bodies und Objektiven sowie Ein- und Dreibeinstativen wimmeln sie in ihren Fotowesten herum. Bloß weg.

Doch das ist nicht so einfach. Denn vom Parkplatz kommend rollt eine in beige gekleidete Rentnerwalze über die K55 auf uns zu. Wir weichen behände wie die Eichhörnchen aus und erreichen unversehrt den inzwischen vollen Parkplatz, wo die Fenster des holländischen Wohnmobils immer noch beschlagen sind.

Nichts desto trotz: Ein Besuch dieses Urwalds lohnt sich. Von Frankfurt erreicht ihr die Sababurg in weniger als drei Stunden. Nur fahrt entweder wochentags oder am Wochenende sehr früh. Und steht auf dem Parkplatz immer noch ein holländisches Wohnmobil mit beschlagenen Scheiben, ruft um Gottes Willen die Polizei.

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Der Roller mit der Zündkerze

  1. Georg Brockmann

    Schön!
    Danke schön.

  2. Gosbert

    Tolle Bilder!!!

  3. Egon Winter

    …und jetzt wird Saab einfach verkauft !

  4. köstlich! mehr davon…

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