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„Michael Wollny“ von Jörg Steinmetz


Unter dem Titel „Die ganz und gar andere Bildbeschreibung“ beleuchten Sabine Pallaske und ich Aspekte des Bildschaffens, die beim Betrachten des Bildes nicht sichtbar und für die Qualität des Bildes nicht relevant sind, aber entscheidend für die künstlerische und kommerzielle Verwendung – und damit auch für den Erfolg.

Sprachlich ganz mies am Platz


Ich bin bestimmt nicht der Grammatik-Papst, aber irgendwann läuft auch bei mir das Fass mal über, fast jedenfalls. Und jetzt zur Sache:

Liebe Profi-Köche im Fernsehen – haben einige von euch eigentlich ihr Sprachzentrum in der Balsamico-Reduktion ertränkt, die ihr über so gut wie alles schüttet? Euer Gesabbel regt häufig eher meine Verdauung an als meinen Appetit. Und ich meine nicht diejenigen unter euch, die eine sprachliche Systemerweiterung in Form eines Dialekts installiert haben. Ich meine diejenigen, die nicht einmal ihr Fachvokabular beherrschen.

Wenn ihr gut kochen, aber nicht sprechen könnt, dann sprecht nicht – kocht. Was soll ich als Zuschauer über Profis denken, die nicht einmal das facheigene Vokabular beherrschen? Nun bestimmt nicht, dass sie kochen können. Wovon ich rede, wollt ihr wissen? Gut dann lest – wenn ihr könnt:

Wir beginnen mit den Desseren*

Das Dessert, Höhepunkt eines jeden Menüs, mindestens aber krönender Abschluss, gerät bei einigen Köchen eher zum sprachlichen Abschuss. Denn für einige Döspaddel ist das Dessert männlich. Und wenn der Dessert dann gleich zu mehreren benötigt wird, dann schicken sie ganz vollmundig, aber bar jeglicher Zungenfertigkeit einige Dessere. „Röchel“ hätte Dr. Erika Fuchs ihrem Donald in den Mund gelegt, aber keinen Dessert.

Es heißt das Dessert und sind es zwei oder mehr spricht der gute Koch von Desserts, aber nur der gute. Dessert kommt übrigens aus dem Französischen und ist abgeleitet vom Verb desservir was soviel bedeutet wie abtragen. Und abservieren sollte man alle, die uns Dessere servieren.

Noch ein kleiner Tipp: Warum sagt ihr nicht einfach Nachtisch, wenn euch das Dessert von drin nach draußen so schlecht über die Lippen geht?

Die Triologie von der Schokolade*

Als ich das gehört habe war ich im ersten Moment sogar leicht verunsichert, denn kurz nachdem der Koch ganz stolz diesen Dreifach-Dessert präsentiert hatte, lobte ein weiterer Koch (Details lasse ich mal weg) diese Triologie. Es heißt aber Trilogie in Dreiteufelsnamen. Trio war eine Band der sogenannten Neuen Deutschen Welle, deren Sänger nach Auflösung der Band noch einmal mit dem Song „Alles hat Ende nur die Wurst hat zwei“ zur Höchstform auflief. Aber ein Ende hat es hoffentlich bald mit Würsten in Kochjacken.

Vom Oahnträkoh und von der Gelantine

Und jetzt ihr professionellen Köche im Fernsehen : Das Entrecote ist lecker, wird aber trotzdem nicht wie „oahnträkoh“ ausgesprochen. Ihr müsst das „kleine t am Ende“ mitsprechen – auch wenn das dann für euch vielleicht nach Kot klingt. Aber Scheiße redet ihr nur, wenn ihr das t weglasst. Aber sonst vielleicht ja auch.

Etwa in jeder zweiten Sendung sagen es euch die Kommentatoren: Es heißt Gelatine und nicht Gelantine. Das Wort leitet sich aus dem lateinischen „gelatus“ ab, was soviel bedeutet wie erstarrt oder gefroren. Deshalb sagen die Italiener zu Speiseeis übrigens auch Gelato und nicht Gelanto. Bei Kantine oder Clementine dürft ihr aber trotzdem das „n“ in der Mitte mitsprechen – einfach weil es richtig ist.

Das Intriör spricht mich nicht*

Vor einiger Zeit kritisierte so ein lederbewesteter Besserwisser permanent die Einrichtung der Gasträume seiner Konkurrenten, indem er sich ständig über das Intriör beklagte. Nein, das Intriör seiner Konkurrenten gefiel ihm nicht. Und weil es ihm so wichtig war betonte er das auch immer mehrfach. Es heißt aber nicht Intriör, du Klops. Schlag es gefälligst nach oder halt einfach die Klappe. Und vor allem – bleib weg aus dem Fernsehen.

Von den Maultaschen zu den Labertaschen

Auch wenn ihr jetzt vielleicht ein wenig kocht, ihr Mitglieder der kochenden Zunft – sprachlichen Müll bekommen wir Zuschauer auch von anderer Seite aufgetischt.

Da gibt es so einen Sport-Kommentator, der Autorennen sprachlich napiert. Bei dem ist nicht nur immer alles extremst – nein – bei dem fahren die Rennfahrer auch in orangenen Autos. Ja, da drinne sitzen die – in den orangenen Autos. Und der Ausgang des Rennens? Da ist alles drinne. Sagt er jedenfalls. Tatsächlich aber ist das alles ganz anders. Denn die Rennfahrer sitzen in extrem schnellen orangefarbenen Autos. Soviel Zeit muss drin sein. Aber ich frage mich, welche taube Nuss seinen Wunsch zu kommentieren erhört hat.

Das Fernsehen hat nämlich einen Bildungsauftrag und keinen Missbildungsauftrag. Deshalb fordere ich Artenschutz für die Zuschauer und deren aktive Mithilfe. Glotzt nicht soviel sondern kocht einfach etwas Leckeres – zum Beispiel eine Triologie vom Oanträkoh, eingehüllt in ganz viel Gelantine, gefolgt von kreativen Desseren und in möglichst freudlosem Intriör serviert. Das täte mit extremst schmecken. Also vielleicht jedenfalls.

Anmerkungen:
1. Die mit Sternchen gekennzeichneten Sätze sind original Zitate aus Kochsendungen.
2. Diesen Text zu schreiben erwies sich als schwierig, weil mein Korrektur-Programm Worte wie Gelantine, Triologie und Dessere nicht zulassen wollte – wenn es jetzt auch noch kochen könnte …

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