reden wir doch mal über das Wetter. Das ist nämlich schuld daran, dass diese kurze Botschaft so spät kommt.
Ich wollte diese Jahresabschlussmeldung nämlich durch ein ganz prima Winterbild illustrieren, das zu schießen es galt. Aber das Wetter …
Also habe ich mich statt in das kalte Südhessen in mein beheiztes Archiv begeben und in den nahezu unergründlichen Tiefen einer fast vergessenen Festplatte unter pixeldicken Schichten digitalen Staubes dieses Bild gefunden.
Es ist ein digitalisiertes Kleinbild Color-Dia, 1991 oder 1992 analog auf einen total überlagerten Film gelichtbildnert – vermutlich irgendwo an der Bergstraße zwischen Darmstadt und Zwingenberg. Der Rest der Geschichte dieses Bildes liegt völlig im Dunkel. Und das ist auch gar nicht so wichtig.
Wichtig ist, dass mir beim Stöbern im Archiv immer wieder Bilder einfielen, die ich nie gemacht habe, die aber in mir so fest eingebrannt sind, als hätte ich sie irgendwann mit großer Begeisterung fotografiert – habe ich aber nicht. Es sind die Projektionen von Augenblicken, die ich erlebt habe und die im Kopf zu Bildern wurden.
Ich versuche mal, euch eins davon zu beschreiben.
„Auf einer Wanderung: Der Herbst hatte bereits aus dem Grün des Odenwaldes pures Gold gesponnen. Noch klammerten sich Millionen von Blättern trotzig an die Bäume. Doch mindestens genau so viele bedeckten bereits den Boden. Und so wanderten wir, nein, wateten wir raschelnd durch einen gelben Ozean von Blättern. Über uns ein tiefblauer Himmel. Absolut wolkenlos. Absolut windstill.
Als uns irgendwann zwei Wanderer entgegen kamen, ging plötzlich ein sanftes Rauschen durch die Blätter auf dem Weg. Und mit diesem Rauschen erhoben sich die Blätter vom Boden und stiegen um uns herum im Sonnenlicht kreisend auf. Es war wie im Märchen von den Sterntalern, nur eben umgekehrt. Aber ebenso magisch.
Niemand sprach auch nur ein Wort. Alle staunten und sahen den aufsteigenden Blättern nach. Selbst als dieses Phänomen endete, das nur wenige Augenblicke andauerte, blieben alle stumm und gingen lächelnd ihres Weges. Beseelt von diesem kleinen Wirbelsturm des Glücks und für immer erfüllt von einem Bild, das niemals fotografiert wurde.“
Warum ich euch das alles erzähle? Weil ich euch solche Bilder, entstanden in Momenten des Glücks, für dieses angebrochene Jahr wünsche. Und Ihnen. Und ganz besonders dir.
Thomas (Hobein)
P.S. Seht euch die Welt nicht auf dem Bildschirm eines Smartphones an, seht euch die Welt an.
(Beim Schreiben u.a. gehört: „Life In a Northern Town“ von The Dream Academy. Erinnert ihr euch?)
Dirk
Vielen Dank lieber Thomas! Das erinnert mich sehr an ein Kinderbuch, kennst du bestimmt auch. Da geht es um eine Maus namens Frederick, die den ganzen Sommer lang Bilder sammelt statt Körner.
Das Allerbeste!
Dirk
thomas
Lieber Dirk,
in kurzen Kinderbüchern steckt oft so viel Wahrheit, wie preisgekrönte Literaten nicht einmal in hunderte von Seiten packen können.