Überquert man von Süden kommend die Lippe nach Norden trifft man auf eine bis dato nahezu unerforschte Volksgruppe – die Münsterländer. Wir sind da mal hin.
Den Grenzfluss „Lippe“ überquerten wir am späten Vormittag des 02. September 2013 und schlugen unser Basislager in Lüdinghausen auf, einem kleinen Ort etwa dreißig Kilometer südlich der Hauptstadt Münster. Das gestaltete sich nicht ganz einfach, denn es war ein Montag. Und das scheint nördlich der Lippe ein Feiertag zu sein. Jedenfalls hatte das Münsterland zu. Na ja, fast.
Nachdem diese Anfangsschwierigkeiten überwunden waren und wir uns akklimatisiert hatten, beschlossen wir die Gegend zu erkunden, um Land und Leute besser kennenzulernen. Als Transportmittel dazu wählten wir das Fahrrad. Und das aus gutem Grund.
An der Nase des Mannes erkennt man den Johannes, heißt es ja bekanntlich überall. Aber nicht hier. Hier präsentiert sich der Münsterländer, also der männliche Einwohner des Münsterlands (und nicht etwa die Hunderasse, die gern vor totgeschossenem Geflügel rumsteht), eher durch super-tolle Fahrräder oder gar Pferde, mindestens aber eben durch ein oberaffengeiles Fahrrad, das seinesgleichen suchen tut.
Deshalb wählten wir für unsere Exkursionen auch eiernde Leihräder mit Torpedo-Dreigangschaltung. Dreigangschaltung ist ein Wort, das Münsterländer überlegen lächeln lässt. Der Mann von der Verleih-Station entschuldigte sich mehrfach und wies darauf hin, dass sollten wir nächstes Jahr wiederkommen, es nur noch neue Modelle mit sieben Gängen gäbe.
Die Entscheidung zugunsten von gurkenmäßigen Fahrrädern erleichterte dann auch tatsächlich den Kontakt zu den Eingeborenen, die sich ob der fehlenden Bedrohung durch überlegene Technologie überraschend freundlich zeigten. So tauschten sie beispielsweise bereitwillig Speisen und Getränke gegen bunt bedrucktes Papier oder kleine geprägte Metallscheiben. Gerne sogar, wie sie dabei immer wieder betonten (das kommt einem Rhein-Mainer vergleichsweise nicht so leicht über die Lippen).
Münsterländer essen täglich Töttchen, Potthast, Stuten und Blaubeerpfannkuchen. Dazu trinken sie Bier. Ein typisches Bier ist beispielsweise das Pinkus, das in der gleichnamigen Brauerei zu Münster erzeugt wird. Der Name leitet sich von Pinkullus ab, einer vielsagenden Auszeichnung, die der Besitzer einst durch den Sieg beim Weitpinkeln erhielt. Ja, Münsterländer lieben es eben handfest, wenn sie den Kanal voll haben.
Und Kanäle gibt es hier so einige. Dazwischen finden sich die typischen Behausungen der Bevölkerung. Das sind normalerweise Schlösser oder Burgen mit viel Platz für Fahrräder und Pferde, die von Wassergräben umgeben sind, hier Gräfte genannt. In Holland, das liegt übrigens gleich links nebenan (jedenfalls wenn man von unten kommt), nennt man die ja dann Grachten. Jedenfalls brauchte man diese Gräben rund um die Burgen früher, um Fahrradtouristen fern zu halten. In anderen Gegenden stellte man deshalb Burgen eher auf Berge. Aber da der Liebe Gott beim Verteilen von Bergen im Münsterland die Bälle eher flach gehalten hat, griffen die Bewohner eben zu Spitzhacke und Spaten und gruben Gräben.
Diese freiwillige Isolation verschaffte den Münsterländern Zeit, ihrer großen Leidenschaft nachzugehen, dem Schreiben von Kriminalromanen. Hier entstand nicht nur der erste aller Kriminalromane „Die Judenbuche“ – du kannst kaum einen Schritt tun, ohne irgendeinen imaginären Tatort zu betreten, an dem Wilsberg, Boerne oder Thiel noch nicht ermittelt haben. Verbrechen lohnt sich eben im Münsterland.
So, jetzt wisst ihr Bescheid über das Münsterland. Am Sonnabend (das ist norddeutsch für Samstag) sind wir dann wieder weg, obwohl das Münsterland auf hatte. Wer mehr wissen will, muss selbst hin. Ich fahre auch noch mal hin, denke ich – wenn die mich noch reinlassen.
E. Pimpelhuber
sehr schön! die reise war demzufolge – trotz zurückgelegter wegstrecke – ebenso kurzweilig wie das lesen des berichts. geht aber lieber erst übernächstes jahr wieder hin, dann gibt’s schon die neuen 11-gang-räder. denke ich mir mal so.
thomas
da ich am Samstag entdeckt habe, dass auch in Darmstadt das Pinkus zu haben ist (in Flaschen), ist erhöhte Mobilität vorerst nicht von Nöten.