Ein Buch der Fotografin Petra Arnold
Über einen Zeitraum von zwölf Jahren portraitierte Petra Arnold das Leben der Zirkusfamilie Fischer in analogen schwarzweißen Fotografien. Jetzt fasste sie diese feinfühligen Einblicke in eine Welt fernab jeglichen Glamours in einem Buch zusammen.
Schon der sorgfältig gewählte Titel fasst die Intention der Fotografin zusammen. Dieses wunderbare englische Wort „beyond“ macht deutlich, dass es ihr nicht nur um den schnellen Blick hinter die Kulissen einer bunten Zirkuswelt geht. Es geht ihr nicht um die technischen Abläufe hinter dem Vorhang, sondern um das, was „jenseits“ davon liegt, um das Leben der Menschen – so wie in allen ihren Arbeiten. Petra Arnold ist vorrangig im Rhein-Neckar-Raum und im Odenwald tätig. Hier geht sie den Dingen fotografisch auf den Grund. Und hier gibt sie das Magazin „My Odenwald“ heraus und betreibt die zugehörige Website.
Das Projekt „Circus Starlight“
In Deutschland existieren rund dreihundert Zirkusunternehmen – von kleinen Familienzirkussen, wie dem Circus Starlight der Familie Fischer, bis hin zu größeren mittelständisch geführten Unternehmen. Unabhängig von der Größe sehen sich diese Zirkusse mit einer rasant wachsenden Medienlandschaft und einem veränderten Freizeitverhalten der Menschen konfrontiert. Dazu kommen steigende Kosten, Werbeverbote in einigen Städten und seit den Neunzigern die Kritik von Tierschützern wegen nicht artgerechter Haltung von Tieren. In Folge all dieser Faktoren sind immer weniger dieser Betriebe rentabel oder überlebensfähig. Und Subventionen wie beispielsweise in Italien oder Russland gibt es in Deutschland für Zirkusse nicht.
Vor diesem Hintergrund wird Petra Arnolds Buch – schon unabhängig von der Qualität der Fotografien – zu einem Dokument einer verschwindenden Welt. Traf sie zu Beginn ihres Projekts auf eine wachsende Großfamilie, so hat sich das Familienunternehmen über die Jahre deutlich verkleinert. Nur noch eine volljährige Tochter reist mit ihren Eltern und dem Circus Starlight.
Sensationell leise Bilder
In einer rasanten Medienwelt, die nach spektakulären News geifert, sind Reportagen heute oft voyeuristisch und entlarvend. Aber hier erzählt die Bildautorin ganz leise und behutsam von ihren Beobachtungen. In ihren sanft modulierten, analogen Schwarzweiß-Fotografien erklingt die Melodie dieser sich verändernden Welt voller Melancholie.
Die Blicke der Portraitierten erinnern ein wenig an die Portraits der American Natives aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert. Sie zeigen Interesse, aber keine Erwartung. Keine Hoffnung, aber auch keine Enttäuschung. Sie scheinen das Leben zu nehmen, wie es ist. Ganz unspektakulär. Wie die Fotografien insgesamt. Und gerade deshalb so nachhaltig.
Dabei scheint eine stille Übereinkunft zwischen Fotografierten und der Fotografierenden zu bestehen. Die Menschen gewähren der Fotografin bereitwillig Einblick in dieses Leben zwischen Manege und Wohnwagen. Sie stellen sich offen der Kamera, aber selbst die Kinder können niemals ganz verbergen, was ihnen wohl im Blut liegt – die Pose der Artisten. Das ist nicht etwa aufgesetzt, sondern ganz natürlich. Das ist keine Show, das sind sie selbst.
Die Buchgestaltung
Die Idee, das Leben der Familie Fischer abseits der Manege zu portraitieren und die Betrachter in eine unbekannte Welt zu führen, gelingt also den Bildern ganz fraglos. Doch schon die Aufmachung des Buches offenbart diesen Gedanken. Wie der Vorhang im Zirkus-Zelt baut ein silbergrauer Schuber die Erwartungen auf die Vorstellung auf.
Nur durch einige kreisrunde Ausstanzungen lässt sich zirzensischer Glamour erahnen. Doch der bleibt schnell zurück, beschränkt sich auf Buchdeckel und Rücken. Die ersten Bilder stehen dann noch im Zusammenhang mit artistischen Darbietungen. Aber sie sind nur das Intermezzo, das schnell aus der Manege in das Titel gebende „beyond“ führt.
Die Abbildungen im Seitenlayout sind eine Verbeugung vor der klassischen Streetphotography, denn die Seitenverhältnisse der Fotografien entsprichen in jedem Fall denen des Kleinbildnegatives von 24 x 36 mm – selbst bei den wenigen über den Falz verlaufenden Bildern.
Die Arbeiten von Petra Arnold werden am Schluss durch einen Anhang auf andersfarbigem Papier ergänzt, der die Familie Fischer in Wort und Bild vorstellt sowie ein Abbildungsverzeichnis enthält.
„Beyond Starlight“ von Petra Arnold ist im Handel erhältlich und kostet 39,90 Euro. Die gebundene Ausgabe im Schuber umfasst 160 Seiten mit Texten in Deutsch und Englisch.
ISBN-10 : 3969120012
ISBN-13 : 978-3969120019
Zusätzlich bietet die Fotografin limitierte Sonderausgaben auf ihrer Website an. Seht selbst.
Fotografie: Petra Arnold
(Beim Schreiben u.a. gehört: „The Ghost of Tom Joad“ von Bruce Springsteen)
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