Am Hohenstein bin ich mit einem Holländer ins Gespräch gekommen, der früher in Hessisch Oldendorf gelebt hat. Er sagte, Hameln sei schön geworden – und nach einer Pause – für die Touristen. Also bin ich morgens um Acht mal nachsehen gegangen und habe einige Schnappschüsse mitgebracht.
Jetzt ist es Nachmittag und ich sitze auf dem Werder im Biergarten (für die Südländer unter den Lesern: der Werder ist eine Insel im Fluss, unter anderem), sehe mir die Bilder an und frage mich so einiges. Ich frage mich zum Beispiel, was ich von diesem Biergarten halten soll. Und so ergeht es anscheinend auch der überwiegenden Zahl der Menschen, die den Biergarten betreten. Sie schauen sich um, suchen ihren Platz und finden ihn nicht. Tatsächlich drehen die meisten dann auch wieder um und verlassen den Ort unverrichteter Dinge.
Zuallererst ist so ein Biergarten an dieser Stelle natürlich eine gute Sache. Zu meiner Zeit galt hier „Betreten verboten. Eltern haften für ihre Kinder.“ Aber dieser hier? Ich weiß nicht. Und dieses Gefühl begleitet mich schon während des morgendlichen Spaziergangs, genau wie der Song „Wieder zuhaus“ von Klaus Lage: „… Ich bin wieder zuhaus, die Kirche ist nicht mehr so groß ….“
Wenn ich vor dem Münster stehe, schmecke ich noch das letzte Alt-Schuss, dass ich in der Münster-Klause getrunken habe. Und es sind bestimmt wieder so einige gewesen. Doch die Kneipe hieß ja eine Zeit lang Gaslicht und ist jetzt das Papa Hemmingway – wirklich mit zwei m in der Mitte. Hmm.
Während sich Erinnerungen und Neuentdeckungen vermischen, frage ich mich, wie Hamelner diese Veränderungen wahrgenommen haben. Schließlich ändert sich ja alles fließend und ist für Anwesende wahrscheinlich viel weniger spektakulär als für mich.
Viele der aufwendig restaurierten Fachwerkhäuser werden durch Leuchtreklame oder bescheuerte Schilder einfach wieder ruiniert. Das gravierendste Beispiel ist der Billig-Backshop gegenüber vom Hochzeitshaus. Weserrenaissance trifft 1-Euro-Design. So etwas ist in Rothenburg o.T. unmöglich. Ich empfehle sofortige Sprengung. Und wenn dann noch etwas Sprengstoff übrig ist – da gibt es so eine monströse Bettenburg auf dem Hausberg namens Klüt. Das hat der altehrwürdige Turm nicht verdient, zu dessen Fuß ich in den Siebzigern samstags Eintrittskarten und Snickers und so im Kiosk verkauft habe.
Nicht das wir uns falsch verstehen. Es geht mir nicht darum irgendetwas runterzumachen, aber ich bin ein wenig enttäuscht. Denn an vielen Stellen, zeigt sich ja, wie es komplett sein könnte, wenn insgesamt konsequenter und mutiger vorgegangen worden wäre. Und das wäre eben schöner – auch für die Touristen, von denen ich einer bin. Irgendwie. Mehr oder weniger.
Aber das alles habe ich nicht fotografiert. Ich kann nämlich keine hässlichen Bilder, selbst wenn ich es will. Echt ätzende Typen mit blättriger Kartoffelnase, werden auf meinen Bilder zu Sympathen mit komplett entkartoffelter Nase. Und so habe ich auch in Hameln geknipst. Zu einer Zeit, wenn Hameln noch den Hamelnern gehört. Morgens. Bevor die Busse kommen.
(Geschrieben im September 2014 im Biergarten auf dem Werder in Hameln)
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