Geschichten aus dem Weserbergland


Das Weserbergland ist voller Liebesgeschichten. Aber nicht alle schließen mit einem Happy-end. Das ist eine davon.

Die Brüdersteine

Wenn du Hameln zu Fuß nach Norden verlässt führt dich dein Weg über den Schöt. Und wenn du dort die Augen offen hältst, entdeckst du vielleicht links vom Wegesrand zwei alte Gedenksteine.

Die beiden Steine sind etwa einen Meter hoch und waren wohl einst Kreuze, deren Kopf und Arme abgeschlagen wurden. Niemand weiß, wann und von wem sie aufgestellt wurden, denn sie tragen weder Inschriften noch Jahreszahlen. Nur ein Kreuz ist im Stein zu erkennen.

So verwittert wie beide Steine sind, müssen sie wohl schon etliche Jahrhunderte dort stehen. Unter ihnen sollen zwei Brüder begraben sein, erzählt man sich. Deshalb nennt man sie auch die Brüdersteine.

Die zwei Brüder, deren Namen und Herkunft im Verborgenen liegen, sollen in die gleiche Frau verliebt gewesen sein. Und jeder pochte wohl auf das, was er als sein Recht empfand. Keiner gab sich in seinem Werben geschlagen und so entwickelte sich aus der Liebe zu der einen Frau der Hass der Brüder aufeinander.

Eines Tages trafen sie sich an der Stelle auf dem Schöt, an der heute die Steine stehen. Wutentbrannt gingen sie mit Sensen aufeinander los. Und da selbst im Kampf um Leben und Tod keiner von beiden nachgab, fielen beide.

Auch der Name der Frau, um derentwillen sie sich gegenseitig umgebracht haben, ist nicht bekannt und auch nicht, ob sie sich für einen der Brüder entschieden hatte, aber sie soll ihr Leben lang jedes Jahr die Steine mit Kränzen aus Waldblumen geschmückt haben.

Wie gesagt, weiß niemand wie lange das alles zurück liegen soll, doch es wird erzählt, dass die Steine bis weit ins zwanzigste Jahrhundert von unbekannter Hand mit Waldblumen bekränzt wurden.

Ich weiß nicht, ob diese Geschichte aus dem Weserbergland wahr ist. Aber ich habe sie mir auch nicht ausgedacht. Und die Steine seht ihr auf dem Bild.

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  1. Peter Hermes

    Hallo. Hameln, 26.2.2020
    Mit Interesse habe ich deinen Bericht über die Brüdersteine gelesen.
    In den 1950er Jahren habe ich als Kind in Hameln am Schöt mit meiner Familie gelebt.
    Damals sah alles anders aus als heute, keine Bebauung usw.
    Unsere Mutter ging mit uns Brüdern (damals 3) oft am Sonntag zu diesen Gedenksteinen und sie erzählte diese Geschichte.
    Ich habe sie genau so in Erinnerung.
    Ich war 5-6, mein älterer Bruder 7-8, der Kleine lag noch im Kinderwagen.
    Mit Tränen in den Augen mahnte unsere Mutter uns, nie zu streiten, denn man sähe was passieren kann.
    Noch heute gehe ich ab und zu zu diesen Brüdersteinen.
    Vieles ist passiert seit den 50er Jahren, mein älterer Bruder ist schon im Jahre 2009 verstorben.
    Immer wenn ich bei den Steinen bin, oder an sie denke, kommt mir das tragische Geschehen aus diesr Geschichte in den Sinn.
    Die mahnenden Worte meiner früh verstorbenen Mutter, die schönen Stunden am Sonntag mit ihr.
    Diese Steine waren damals ein beliebter Ort für Sonntagsausflüge vieler Hamelner.
    Ich bin sehr erfreut und angetan, diese Geschichte hier genau so zu lesen, wie unsere Mutter sie uns Kindern erzählte.
    Vielen Dank dafür und einen netten Gruß von Peter aus Hameln.

    • Hallo Herrr Hermes,

      es freut mich sehr, dass ihnen mein kleiner Beitrag gefällt und angenehme Erinnerungen für sie mit sich bringt.

      Ich selbst bin zwar in Hameln aufgewachsen und zur Sertürner Realschule gegangen, aber die Geschichte war mir nicht bekannt. Ich habe sie in einem alten Buch gefunden und mich dann auf die Suche nach den Steinen gemacht. Zwei Pilz-Sammler haben mir dann die Steine gezeigt, an denen ich schon zweimal vorbeigegangen bin, ohne sie zu bemerken.

      Gruß aus der ständigen Verirrung Hamelns in Darmstadt
      Thomas Hobein

  2. Birgit Wendling

    Moin Herr Hobein,
    über die Website von Peter Hermes (hamelnerbote.de) bin ich heute hier bei Ihnen gelandet. Tolle Geschichte und tolles Foto! Hoffentlich finde ich die Steine. Bin erst seit knapp zwei Jahren aus dem Rheinland hierhergezogen und kenne mich noch nicht so gut aus. Ich bin gerne draußen in der Natur, mein niedersächsischer Mann leider nicht. Solche Geschichten helfen mir, ein Ziel zu haben, um die Umgebung hier nach und nach zu entdecken. Eigentlich stamme ich aus dem badischen Ortenaukreis und der Wechsel nach Niedersachsen ist schon eine Umstellung, auch von der Mentalität her. Hier wird nicht so viel geredet, die Menschen sind aber sehr verlässlich, wenn sie einen kennen gelernt haben. Das dauert halt.
    Ihnen alles Gute in Darmstadt!
    Sonnige Grüße aus der Rattenfängerstadt
    Birgit Wendling

    • Hallo Frau Wendling,

      es freut mich, dass sie mich gefunden haben. Und … die Welt ist klein. Ich als gebürtiger Niedersachse habe mich zwei Jahre im Rheinland, genauer gesagt in Koblenz, herumgetrieben. Und musste auch ich mich auf eine andere Mentalität einstellen, war aber sogar kurzfristig als Nachrichtensprecher für das regionale Fernsehen im Gespräch. Und heute sind zwei meiner wichtigsten Kunden der letzten Jahre im Ortenaukreis ansässig – Weingut Schloss Ortenberg und bis vor einiger Zeit Brunner Büromöbel. Wenn sie also wissen möchten, wie ein Hamelner über badischen Wein schreibt besuchen sie mal http://www.wso-wein.de (alle Texte sind von mir verfasst).

      Die Steine liegen übrigens ganz dicht am Weg, aber auch ich bin zwei mal vorbeigelaufen, bis mir zwei Pilssucher den entscheidenden Hinweis gegeben haben, denen ich im Gegenzug aber keine Tipps für Steinpilze liefern konnte. Wenn sie auf Google Maps nachsehen – da sind die Brüdersteine eingezeichnet, leider aber ist die Lage nicht ganz eindeutig.

      Leider komme ich im Moment nicht oft dazu, über Hameln und Umgebung zu schreiben, aber vielleicht interessieren sie ja „Der Trompeter auf der Eisscholle“ und „Katzenhajen“ wie Beiträge in meinem Blog.

      Viele Grüße aus Südhessen, über das ich seit fünf Jahren nahezu wöchentlich schreibe http://www.endlichgutes.de
      Thomas Hobein

      • Hallo Herr Hobein,

        bin jetzt erst wieder auf Ihrer Seite gelandet und sehe Ihre freundliche und ausführliche Antwort – vielen Dank dafür! Genau aus dem Nachbardorf der Firma Brunner stamme ich, etwa einen Kilometer entfernt. Die Welt ist doch klein…

        Bis zu den Steinen habe ich es immer noch nicht geschafft. Bin leider aus gesundheitlichen Gründen nicht sehr mobil. Auf Ihren anderen Webseiten war ich schon und habe zu den Themen Wein und Odenwald gelesen. Sie schreiben einfach gut – Kompliment!

        Die beiden Geschichten hier vom „Trompeter auf der Eisscholle“ und „Katzenhagen“ werde ich mir noch zu Gemüte führen. Unser Hajener Bäcker hier erzählt eine fast gleichnamige Geschichte auf seinen Brottüten. Mal sehen, ob es die gleiche ist.

        Vor kurzem habe ich übrigens angefangen, die Bücher der 1960 in Hameln geborenen Büchner-Preisträgerin Felicitas Hoppe zu lesen. Teilweise absurde Geschichten, aber sprachliche Leckerbissen.

        Alles Gute und viele Grüße aus der alten Heimat!

        • Hallo Frau wendung,

          schön von ihnen zu hören. Ich habe gerade etwas Zeit, denn ich warte auf eine Rückmeldung aus dem Ortenaukreis zu einem Text, den ich für das Weingut Schloss Ortenberg verfasst habe. Zufall? Vielleicht.

          Soweit ich weiß, nennt sich der Bäcker aus Hajen ja auch Katzenbäcker. Also wird er die selbe Geschichte erzählen, nur nicht mit den gleichen Worten.

          Felicitas Hoppe und ich sind im selben Jahr geboren, aber wir kennen uns nicht, glaube ich jedenfalls. Denn ich bin sicher, dass wir am Ende unserer Schulzeit bzw. meiner Ausbildung zum Fotografen so manchen Abend in den einschlägigen Kneipen verbracht haben, wie zum Beispiel der Münsterklause – heute wohl Papa Hemingway. In meinem Regal steht ihr Erzählband „Picknick der Friseure“ und das Buch „Deutsche Landschaften“, in dem sie den Beitrag über das Weserbergland verfasst hat.

          Ihnen wünsche ich noch einigen Spaß mit meinen Texten und Bildern und selbstverständlich alles Gute.

          Thomas Hobein

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