Auf dem Mathildenplatz traf ich den Frühling.


Auf dem Heimweg vom Einkauf – ich brauchte noch einige Lecker- und Spezereien für Ostern – führte mich mein Weg über den Mathildenplatz, denn dort gehe ich eigentlich niemals lang. Heute aber irgendwie schon. Und mitten auf der vom Winter zerrupften Wiese breitete sich plötzlich ganz unverblümt blumig der Frühling vor mir aus. Heureka, entfuhr es mir genau so spontan wie unhörbar. Ich meine, wer heute Heureka in Gegenwart anderer sagt, entlarvt sich zwangsläufig als von Gestern. Aber so was von.

Dennoch. Die nach der langen, recht monochromen Winterzeit ungewohnte Farbenpracht rief in mir klassische Gefühle hervor und ich beschloss, dem Frühling aus einem meiner Reklamheftchen vorzulesen, geschrieben von einem, der es beim Schreiben zu einiger Meisterschaft gebracht hat. Sagt man jedenfalls. Vielleicht kennt ihr ihn.

Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
Durch des Frühlings holden, belebenden Blick;
Im Tale grünet Hoffnungsglück;
Der alte Winter, in seiner Schwäche,
Zog sich in rauhe Berge zurück.
Von dorther sendet er, fliehend, nur
Ohnmächtige Schauer kornigen Eises
In Streifen über die grünende Flur;
Aber die Sonne duldet kein Weißes,
Überall regt sich Bildung und Streben,
Alles will sie mit Farben beleben;
Doch an Blumen fehlt’s im Revier
Sie nimmt geputzte Menschen dafür.
Kehre dich um, von diesen Höhen
Nach der Stadt zurückzusehen.
Aus dem hohlen finstern Tor
Dringt ein buntes Gewimmel hervor.
Jeder sonnt sich heute so gern.
Sie feiern die Auferstehung des Herrn,
Denn sie sind selber auferstanden,
Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
Aus Handwerks- und Gewerbesbanden,
Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
Aus der Straßen quetschender Enge,
Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
Sind sie alle ans Licht gebracht.
Sieh nur, sieh! wie behend sich die Menge
Durch die Gärten und Felder zerschlägt,
Wie der Fluß, in Breit und Länge
So manchen lustigen Nachen bewegt,
Und bis zum Sinken überladen
Entfernt sich dieser letzte Kahn.
Selbst von des Berges fernen Pfaden
Blinken uns farbige Kleider an.
Ich höre schon des Dorfs Getümmel,
Hier ist des Volkes wahrer Himmel,
Zufrieden jauchzet groß und klein:
Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein!

Der Frühling hielt ganz still, während ich las und auch noch kurz danach. Also schoss ich ihn. Mit meinem iphone. Besser als so manchen Bock vorher. Frohe Ostern.

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Voll die Sonne; voll der Nebel; voll der Regen; voll der Edersee

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Die bitter-süße Romantik der Ira Blum

  1. wolfgang

    beim lesen denke ich „stimmt. schön“ und merke: ich muss auch mal wieder raus.
    [und ewig lockt der herkules, wo man das auch sein darf, glaube ich.]

  2. Irene

    Bald werden wir überall etwas davon haben, ich fühle es genau. An Ostern im Schwarzwald konnten wir die Blütenspitzen aus dem Schnee herausblitzen sehen, sah auch cool aus. Leider habe ich vergessen, ein Bild zu machen…
    Liebe Grüße und bis bald
    Irene

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